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Stell dir vor, du bekommst gesagt: "Alles hängt von dir ab!"

Aktualisiert: 8. März 2022

Von Leticia Lenk - Unter dem Hashtag #letztegenereation protestieren junge Menschen gegen Tatenlosigkeit in der Klimapolitik. Auf uns als GenZ lastet ein großer psychischer Druck und eine Aufgabe, die wir bewältigen müssen. Wie gehen wir damit um?


2:30 Uhr nachts. Ich sitze an meinem Schreibtisch, mein Laptop seit mehreren Stunden am Laufen, zwei leere Fertigkaffeebecher und eine halbleere Energydrink-Dose neben mir. Normaler Alltag für einen Jugendlichen wie mich, oder? Erneut lese ich mir meinen halb fertigen Aufsatz über 9/11 durch. In meinem Kopf schwirren Millionen verschiedener Gedanken, die meinen Fokus vertreiben. Ich öffne einen neuen Tab im Browser, um etwas nachzusehen, doch die Anzeige der aktuellsten Ereignisse auf der Welt halten mich davon ab, einen Suchbegriff einzugeben. Ich halte inne und überfliege die Nachrichten. „Mehr als 2000 Jobs in Gefahr“, „Anstieg von Wohnpreisen“, „Überschwemmungen in Südafrika“. Unzählige solcher Artikel rufen mir erneut ins Bewusstsein, dass diese Welt vor dem Untergang zu stehen scheint. Aber ist das wirklich so?


Der nächste Gedanke besudelt meine Sinne mit Panik. GenZ soll die letzte Generation sein, die die Chance hat, die Erde vor den schlimmsten Folgen des Klimawandels zu bewahren. Der Gedanke erscheint mir fast lächerlich, wenn ich daran denke, dass ein konstant zunehmender Teil von Generation Z unter psychischen Erkrankungen leidet und anscheinend knapp vor der Kante steht. Dennoch, ich als Schülerin eines Gymnasiums habe gelernt, alles zu hinterfragen. Ich stelle mir also die Frage, inwiefern GenZ wirklich in der Lage ist, dieser Herkulesaufgabe gerecht zu werden.


Stell Dir einmal vor, Du bekommst so etwas gesagt. „Alles hängt von Dir ab!"

Es wird vermutet, dass, wenn diese Generation den Klimawandel nicht mehr aufhalten kann, das Schlimmste so gut wie unausweichlich ist. Die Folgen des Klimawandels werden nicht mehr rückgängig zu machen sein. Stell Dir einmal vor, Du bekommst so etwas gesagt. „Alles hängt von Dir ab. Wenn Du das verhaust, dann ist alles verloren.“ So klingt es doch, oder nicht? Für viele eine Horrorvorstellung. Auf Arbeit, in der Schule, im alltäglichen Leben begegnen wir Situationen, die uns genau das zu vermitteln scheinen, und es sind eben diese, wovor die meisten am meisten Angst haben. Aber wohl kaum eine alltägliche Situation überschreitet den Ernst dieser Lage. „Wenn Ihr das verhaut, ist alles verloren.“ Und damit ist wortwörtlich alles gemeint. Zumindest wenn man alles als ein sicheres Leben auf der Erde definiert. Und der Druck, dieses unausweichliche, massive Hindernis meistern zu müssen, erscheint mir fast genauso schlimm.


Generation Z, meine Generation, bekommt beinahe täglich mit, was für Aufgaben sie später erwarten. Alle Länder müssen möglichst schnell klimaneutral werden, wobei sich an dem Start dieser Aktion noch Generation Y, die momentanen Erwachsenen, versuchen. Viele haben sich das Ziel gesetzt, ungefähr bis 2035 klimaneutral zu werden, das heißt für weniger CO²-Emmisionen zu sorgen, Entwicklung nachhaltigerer Städte, umweltfreundliche Produktion von Lebensmitteln und weiteren Waren und so weiter. Die Liste an Dingen, die getan werden müssen, ist lang. Nahezu unmöglich, all diese Aufgaben in einer Zeitspanne von rund 15 Jahren zu meistern. Wobei es theoretisch doch zu meistern wäre, wären die Mächte und allgemeine Bevölkerung aller Länder bereit für einen solchen Umstoß. Doch sind wir wirklich bereit dafür?


Zuallererst: Auf was für einem Wissensstand befinden wir uns. Durch die Digitalisierung haben wir heutzutage einen viel globaleren Wissensstand. In kürzester Zeit erfahren wir alles, was wir wissen wollen. Doch ist das nun gut oder schlecht? Dieses Wissen wird uns teilweise ebenfalls in Schulen vermittelt. Wir werden tagtäglich damit geprägt und geformt. Uns wird von Kindesalter an all dieses Wissen, auf das uns der Zugriff gewährt ist, in der Zeitspanne von 12 bis 13 Jahren in den Kopf gepresst. Der dadurch entstehende Stress und ein eventuelles Gefühl der zu starken Belastung sind oft Grund für Depressionen, Burnout und weitere psychische Erkrankungen.


Wir "Doomer"

Unsere Köpfe überfluten mit Wissen aus aller Welt. Weil dieses Wissen sich häufig in Form von schlechten Nachrichten oder sogar Alarmismus befindet, da Menschen meist dazu tendieren, problemorientiert zu sein und somit eben diesen zugewandter als potentiell guten Nachrichten und Fakten sind, bekommen besonders Jugendliche heutzutage Panik und/oder Zukunftsängste, was zu einem starken Gefühl von Hoffnungslosigkeit oder Beeinträchtigung der Psyche führen kann. Ein passender Begriff hierfür wäre „Doomer“. Dieser Begriff beschreibt eben solche Personen, die immense Angst und Panik vor globalen Problemen haben, beispielsweise vor Überbevölkerung oder Ressourcenknappheit.


Nun, trotz dieser Aspekte, haben wir die Chance, mit dem Zugriff auf globales Wissen, ideale Lösungen für lokale oder globale Probleme in kürzester Zeit zu finden, zeigt sich beispielsweise an der Reaktion auf das Coronavirus. In damaliger Zeit hätte eine anständige Reaktion wohl mindestens ein Jahrzehnt gebraucht, ganze Landstriche wurden von Infektionskrankheiten dahingerafft. Heute haben wir Impfungen.


Eine Sache, die man ebenfalls bedenken muss: Was darf man sich denn darunter vorstellen, was in erster Linie wohl geändert werden muss? Nun, wir werden wohl so einiges an Arbeit vor uns haben, wollen wir totale Klimaneutralität erreichen, da wir uns von dem luxuriösen Überfluss, in dem hier in Deutschland die meisten von uns aufwachsen und aufgewachsen sind, abwenden müssen und neue Wege entwickeln und beschreiten müssen. Klingt so erstmal einfach, ist es dann allerdings doch nicht so ganz, wenn man beispielsweise bedenkt, dass der Mensch wie die meisten anderen Lebewesen auch sich am wohlsten auf bereits erforschtem Gebiet fühlt und das Erkunden neuer Wege dann meist außer Acht fällt. Nicht anders ist das in meiner Heimatstadt Oldenburg. Wir haben uns zum Ziel gemacht, klimaneutral zu werden. Dazu gehört natürlich auch eine Umstellung des allgemeinen Lebens. Weniger Autofahren, weniger Fleisch essen, stark darauf achten, was man kauft. Eine solche Umstellung braucht Überwindungskraft, nicht nur von Seiten der Politik und Wirtschaft, sondern jeder Einzelne muss sich darauf gefasst machen, die Lebensweise in eine andere Richtung zu lenken.


Ich bin mir sicher, meine Generation besitzt das nötige Wissen und die Fähigkeiten, die Politik, Wirtschaft und Gesellschaft auf ein klimaneutrales Miteinander umzulenken. Was ich an meiner Schule und in Diskussionen erlebe, gibt mir den Anschein, dass einige von uns die nötige Kompetenz haben, um zum Umdenken des Systems beizutragen. Es sind neue und kreative Ideen nötig, es wird immer konstruktive Kritik gebraucht, die uns Verbesserungsvorschläge bietet. Qualitäten wie diese nehme ich täglich in meinem Umfeld wahr. Was mir allerdings Sorgen bereitet, ist die Tatsache, dass wir auf ein System geschult werden, welches wir verändern müssen. Meine Sorge ist, dass Generation Z stumpf in die Fußstapfen der vorherigen Generation tritt und dabei jegliche nötige Kreativität und Kritikfähigkeit verliert und wir deshalb bei der Aufgabe, den Klimawandel in den Griff zu bekommen, versagen.


Wie bewältigen wir den Umbruch?

Das Stoppen des Klimawandels ist eine, wenn nicht die verantwortungsvollste Aufgabe momentan. Was sind wir bereit dafür eventuell aufzugeben? Die Umstellung ganzer Systeme vermag auch einiges an Kosten zu erzeugen und ich rede nicht nur von Geld, sondern auch von der Anpassung unseres alltäglichen Lebens an die Klimaneutralität. Vielleicht ist das auch das Problem. Wie bereit sind wir dazu, uns anzupassen. An der Coronakrise ist aufgefallen, dass es so einige widerwillige Menschen gibt, die auf keinen Fall die neuen Gegebenheiten akzeptieren wollen. Sie lassen sich nicht impfen und vernachlässigen die Maskenpflicht. Sie wollen keine Umstellung des Alltags einsehen. Sie sind blind vor der Erkenntnis, dass diese Maßnahmen ihnen nur helfen und sie schützen sollen. Die Angst vor etwas Unbekanntem macht sie blind und wenn die Politik, Wirtschaft und Gesellschaft sich bereits jetzt und in Zukunft ebenso blenden lassen, von dem was ist, dann kann nicht auf das gesehen werden, was sein soll und wir lassen uns blenden. Das ist die Gefahr, vor der sich meine Generation besonders in Acht nehmen muss. GenZ muss die Generation sein, die bereit ist, Teile von dem aufzugeben, mit dem sie aufgewachsen ist, damit sie der Menschheit der Welt und somit auch sich selbst nicht noch mehr schadet.


Der Druck, der auf uns lastet, ist stark. Die Erreichung des Ziels eines klimaneutralen Lebens mit der Hoffnung, einige Folgen des Klimawandels noch abzuwenden, treibt uns voran. Es wurde eingesehen, was für eine Wichtigkeit dieses Thema hat, weswegen Generation Z nun stark auf die Erreichung dieses Ziels geprägt wird. Bezüglich der Frage, ob Generation Z dazu fähig ist, die Menschheit in ein klimaneutrales Leben zu leiten: Solange wir geschickt genug sind, alle potentiellen Gefahren, die uns vom Weg zum Ziel abbringen können, zu vermeiden, haben wir gute Chancen auf Erreichung dieses Ziels, dank guter Schulung und unlimitierten Zugriffs auf globales Wissen. Dennoch sollte darauf geachtet werden, dass GenZ nicht zu viel Druck ausgeliefert ist, da dies zu Missständen der Psyche führen kann und somit den Prozess der Erreichung der Klimaneutralität verlangsamen kann. Die Verfolgung des Ziels der Klimaneutralität ist momentan wohl das wichtigste globale Thema, was es um so wichtiger macht, dass die weitere Verfolgung dieses Ziels in kompetente und fähige Hände weitergegeben wird.

57 Ansichten1 Kommentar

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1 comentário


thomas.staecker
03 de abr. de 2022

Liebe Letitia,

ich habe den größten Respekt vor jungen Menschen wie dir, die sich so viele und so grundlegende Gedanken über den Zustand der einen Welt machen, in der wir alle leben. Vielen Dank für deine Energie und Disziplin, die 1000 Dinge, die einem nachts um halb 3 noch durch den Kopf schwirren, so überzeugend zu Papier zu bringen!

Die Zunahme psychischer Erkrankungen innerhalb deiner Generation sehe ich mit gleicher Sorge wie du. Fast nichts als bad news rund um die Uhr – wer soll das aushalten?

Ich schäme mich, dass meine Generation euch keine bessere Welt hinterlassen hat. Aber in meinen Augen seid ihr nicht GenZ, nach der gar nichts mehr kommt, sondern eher die Generation R. Wie Resilienz…

Curtir
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